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Die Studentinnen Sharline Dünow, Paula Engel und Diana Richter (v.li.) arbeiten in der Bibliothek der Uni Magdeburg mit Büchern, die im Zweiten Weltkrieg als Feldpost verschickt worden waren.
10.09.2019 aus 
Studium + Lehre
Ein Stück Geschichte in den Händen

Über neun Regale erstreckt sich die Buchreihensammlung der Stiftung Neumann in der Universitätsbibliothek der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Prof. Dr. Thorsten Unger vom Bereich Neuere deutsche Literatur hat es sich gemeinsam mit Projektmitarbeiterin Ilona Laudan und einer studentischen Gruppe zur Aufgabe gemacht, Feldpostreihen des Zweiten Weltkriegs aufzuarbeiten und zu erforschen. Bis Mitte November werden die Ergebnisse ausgestellt und in einem Katalog publiziert.

Ein Stück Geschichte in der Hand

Hauptsächlich sind es kleine, handliche Bücher mit unauffälligem Einband, die Mitte des letzten Jahrhunderts zu den Soldaten an die Front geschickt wurden: sogenannte Feldpostreihen. Eine Projektgruppe aus 10 bis 15 Studierenden der Germanistik setzt sich seit 4 Semestern wöchentlich zusammen und diskutiert die historische Lektüre. „Manchmal fand ich Lesezeichen, kleine Zettelchen oder Briefe zwischen den Seiten“, erzählt die Germanistikstudentin Cosima Oomen-Müller. „Dabei habe ich erstmal realisiert, dass ich gerade ein Stück Geschichte in der Hand halte.“

Alle Teilnehmenden müssen pro Semester jeweils einen Text zu wesentlichen Buchreihen schreiben. Und natürlich nehmen die Studierenden vor allem die Texte genauer unter die Lupe: Welche Titel gibt es innerhalb der Buchreihe? Handelt es sich um einen NS-Autor? Welche Mittel der Propaganda lassen sich finden? In welche Gattung lässt sich das Werk einordnen? Ihr Beitrag wird dann ausgewertet, wenn nötig korrigiert, und im Katalog zur Ausstellung veröffentlicht.

„Es ist was ganz anderes, als einfach eine Hausarbeit zu schreiben.“, sagt Cosima Oomen-Müller, „Das werden viel mehr Leute lesen. Vielleicht kann ich es sogar irgendwann meinen Enkeln zeigen.“

Allerdings bedeutet das Schreiben dieser Texte viel Arbeit: nicht nur lesen, sondern auch zeitintensiv recherchieren und diskutieren. Die Studierenden machen das freiwillig. „Ein Semester war Pflicht, aber ich habe die ganzen 2 Jahre mitgemacht“, sagt die literaturbegeisterte Studentin Paula Engel. „Es ist einfach spannend!“

Stiftung Neumann in der Universitätsbibliothek

Prof. Dr. Wolfram Neumann, ehemaliger Orthopäde an der Uniklinik Magdeburg, und seine Frau Ute übergaben ihre jahrelang gesammelten Buchreihen 2003 der neugebauten Universitätsbibliothek. Seitdem sind die zirka 1.600 Buchreihen öffentlich zugänglich und stehen für wissenschaftliche Arbeit zur Verfügung.

Bis heute wächst die Sammlung, sodass man mittlerweile 20.000 Bücher im ersten Obergeschoss der universitären Bibliothek sehen kann. die meisten vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Noch stehen sie in gläsernen Regalen, doch seit September sind sie in der Ausstellung mit dem Titel „Bücher für die Front“ zu sehen.

Das Projekt ist der Nachfolger eines Buchreihenprojekts zum Ersten Weltkrieg, das ebenfalls Prof. Dr. Thorsten Unger 2014 bis 2015 leitete. Er ist für den deutschlandweit einzigen Studiengang „Germanistik mit interdisziplinärem Profil“ an der Fakultät für Humanwissenschaft der Uni Magdeburg verantwortlich. Die Inhalte des Studiums sind durch ein Angebot an Wahlfächern sehr weit gefasst: So können Studierende Germanistik mit Informatik, medienwissenschaftlichen oder anglistischen Fächern zu kombinieren.