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24 bis 25 Ausgründungen verzeichnet das TUGZ allein in den vergangenen drei Jahre, aber dennoch ist ein Start-up kein Erfolgsgarant (Foto: Chris Rößler)
05.10.2021 aus 
Forschung + Transfer
Erfolgreich gescheitert

Das alte Bürogebäude und die in die Jahre gekommene Eingangstreppe: Von außen sieht man der Fassade nicht an, was sich dahinter verbirgt. Hinter der Eingangstür dann helle Schreibtische, Smartboards und Wandflächen beklebt mit vielen bunten Post-its. Direkt neben dem Eingang hängt ein Bild mit der Aufschrift „Thank god, it’s Monday!“, darunter die lachenden Gesichter der Mitarbeitenden des jungen Start-ups. Es liegt Aufbruchsstimmung in der Luft, ein geschäftiges Treiben voller Elan und Leidenschaft für die gemeinsame Sache.

Immer wieder wagen (meist) junge Menschen den Weg in die Selbstständigkeit. Sie träumen von der Verwirklichung eines eigenen Projekts, von Fortschritt und vielleicht auch davon, die Welt ein Stück besser zu machen.

Warum man mit einem Start-up nicht scheitern kann

24 bis 25 Ausgründungen verzeichnete das Transfer- und Gründerzentrum (TUGZ) unserer Uni allein in den vergangenen drei Jahren. Erfolgreiche OVGU-Start-ups wie die Studierenden-App UniNow, das Outdoor-Fitness Training NaturImpuls oder die Fahrradmanufaktur Urwahn Engineering zeigen die fachliche Vielfalt der Neugründungen. Erfolgsfaktor Start-up? Mitnichten. Start-ups sind die Umsetzung hochskalierbarer und disruptiver Geschäftsideen. Und genau darin liegt auch die große Herausforderung für viele Gründungen. „Die Schwierigkeiten beginnen häufig bereits beim Geschäftsmodell“, sagt Jonas Crackau, Gründungscoach beim TUGZ. Er und sein Team begleiten Studierende und Mitarbeitende der OVGU bei der Gründung und beraten zu Finanzierung, Business-Plan und Vertriebskanälen. Gleich zu Beginn des Coachings können die Gründungswilligen am sogenannten Rütteltest teilnehmen, in dem die Gründungsidee auf Herz und Nieren geprüft wird. „Die potenziellen Gründerinnen und Gründer präsentieren uns ihre Geschäftsidee in einem kurzen Pitch. Mit gezielten Fragen rütteln wir das Geschäftsmodell ordentlich durch und decken Schwachstellen auf. Dabei ist uns wichtig, dass wir dies in einem geschützten Rahmen machen, denn Investoren oder Kunden verzeihen Fehler nur selten“, so Jonas Crackau.

Eine weitere Herausforderung liegt in der Zusammensetzung der jungen Teams. Was in der Projektarbeit zu zweit oder dritt fachlich gut harmoniert, führt später in der Umsetzung oft zu Diskrepanzen und fehlenden Kompetenzen. Geschäftspläne entwickeln, Finanzierung klären, Vertrieb und Marketing betreiben – es braucht viele Schritte für eine erfolgreiche Gründung. Ist dann Product-Market-Fit erreicht, also das passende Produkt für den richtigen Markt identifiziert, gehen Gründerinnen und Gründer oft zu spät mit ihrer Idee auf den Markt. Hinzu kommen die finanzielle und zeitliche Belastung und die Bürokratie, laut Deutschem Start-up-Monitor 2020 häufige Gründe für das Scheitern eines Start-ups.

Das Scheitern als Baustein für den kreativen Prozess

Ungefähr 70 Prozent aller Start-ups scheitern in den ersten drei Jahren nach ihrer Gründung. Also lieber gar nicht erst probieren? Formate wie „Fuck-up Nights“ gehen dieser Frage nach und lassen auf der Bühne gescheiterte und erfolgreiche Gründerinnen und Gründer zu Wort kommen. Diese berichten darüber, wie sie eine falsche Entscheidung getroffen, sich geirrt und eventuell sogar das Geld der Investoren in den Sand gesetzt haben. Damit verbunden ist die Erkenntnis, dass Fehler zum Leben dazu gehören und häufig zu persönlichem Wachstum führen. Dass die Auseinandersetzung mit einem Problem dafür sorgt, beim nächsten Mal anders an die Sachlage heranzugehen. Dass Scheitern ein Baustein für den kreativen Prozess ist.

Aus Sicht der Gründungsberatung macht das auch wertvoll(er) für den Arbeitsmarkt: Selbst, wenn jemand mit einer Gründung scheitert, ist das ein großer Vorteil für den Einstieg in den nächsten Job. Denn schließlich hat man gelernt, ganzheitlich zu denken und bringt vielfältige Erfahrungen mit im Projektmanagement, in Finanzierung, in Vertrieb et cetera. Man hebt sich damit von der Masse ab“, so Jonas Crackau.

Das alte Bürogebäude mit der heruntergekommenen Treppe ist mittlerweile wieder leer, innen fehlen die hellen Schreibtische und Smartboards, es hängt kein Bild mehr an der Wand. Das Start-up wurde 2020 final aufgelöst, das Team, zu dem auch ich gehörte, ist beruflich in viele Windrichtungen verstreut. Wir alle gehen neue Wege und haben viel aus der gemeinsamen Zeit gelernt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Wir sollten uns mehr trauen, über das Scheitern zu sprechen! Denn, wenn wir die Angst davor verlieren, Fehler zu machen, wird aus einem „Man müsste mal …“, ein „Wir machen es jetzt einfach!“.

Autor:in: Katrin Pauer
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