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16.11.2022 aus 
Forschung + Transfer
Soziale Gesundheit für alle

Depression ist eine der häufigsten Erkrankungen in Deutschland. Viele Faktoren, wie ein stressiger Job oder eine unausgewogene Work-Life-Balance, führen dazu, dass viele Menschen unter psychischen Krankheiten leiden. Um dagegen anzukämpfen ist eine Psychotherapie das Mittel Nummer 1 – doch, wie kann präventiv vorgegangen werden? Wie kann ein gesundes Umfeld geschaffen werden, um psychische Leiden zu vermindern oder gar zu unterbinden? Die Gesundheitswissenschaftlerin Jun.-Prof. Dr. Claudia Buntrock erforscht genau diese Fragen zur Prävention von psychischen Leiden. Dabei verfolgt sie einen bisher noch eher untypischen Ansatz: E-Health-Interventionen statt klassischer Psychotherapie.

In die psychische Gesundheit spielen viele verschiedene Umweltfaktoren hinein. Von Job über privates Umfeld – alles hat einen Einfluss auf unser psychisches Wohlbefinden. Doch pauschalisieren kann man diese Einflüsse natürlich nicht. Bei manchen Menschen führt zum Beispiel ein stressiger Job lediglich zu einer Unzufriedenheit, bei anderen kann dieser Faktor zu emotionalem Leid führen. Um psychische Krankheiten möglichst früh zu erkennen und den Betroffenen nachhaltig helfen zu können, ist es wichtig, präventive Maßnahmen zu treffen. Dr. Claudia Buntrock ist Juniorprofessorin für Public Health und Versorgungsforschung am Institut für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung an der Uni Magdeburg. Mit ihrer Forschung zum Thema Gesundheitsförderung und Prävention verfolgt sie das Ziel, die psychische Gesundheit individuell zu fördern. Der Fokus ihrer Forschung liegt hierbei auf den sogenannten E-Health-Interventionen, die zur Prävention, Diagnostik und auch zur Therapie genutzt werden können.

Portrait Jun.-Prof. Dr. Claudia Buntrock (c) Sarah Kossmann_UMMDJun.-Prof. Dr. Claudia Buntrock (Foto: Sarah Kossmann / UMMD)

Da besonders viele Faktoren auf eine positive psychische Gesundheit Einfluss nehmen, ist es wichtig, ein individuelles Angebot zu schaffen. Dr. Buntrock sieht hier den Vorteil der E-Health-Interventionen: „Wir können die Technik nutzen und ein Programm zusammenstellen, um auf individuelle Bedürfnisse des Einzelnen einzugehen. Damit jede und jeder das bekommt, was er oder sie auch wirklich braucht. Außerdem können die Nutzer und Nutzerinnen des E-Health-Programms den größtmöglichen Vorteil für sich aus den Interventionen ziehen, da sie selbst schauen können, was ihnen am meisten hilft.“ Da jeder Mensch unterschiedlich ist und bei jeder und jedem verschiedene Umweltfaktoren oder Maßnahmen anders wirken, sei die Chancengleichheit in Bezug auf psychische Gesundheit besonders wichtig. „Es ist wichtig, Angebote für wirklich jede und jeden zu schaffen – da sehe ich die Menschen in der Politik in der Verantwortung, denn diese müssen einen gewissen Grundsatz liefern, um wirklich jedes individuelle Bedürfnis bei der Behandlung abzudecken“, plädiert Dr. Buntrock.

Ein diverses aber gleichermaßen individuelles Programm ist also wichtig für eine erfolgreiche Prävention und auch Therapie. Dazu kommt ein weiterer wichtiger Faktor für eine gute psychische Genesung: die regelmäßige Teilnahme an und das Wiederholen von Übungen. Auch hier bietet das E-Health-Programm gegenüber der klassischen Therapie viele Vorteile: „Um präventiv psychische Leiden anzugehen oder eine Linderung durch Therapie zu erzielen, ist es wichtig am Ball zu bleiben. Das kann bei einigen Menschen zum Problem werden, denn bei einer Psychotherapie muss man sich sehr eingeschränkt an Termine halten – hinzu kommen noch Fahr- und Wartezeiten. Diese Problematik besteht bei einer E-Health-Intervention nicht. Die Angebote können unabhängig von Zeit und Ort zu jeder Tages- und Nachtzeit genutzt werden“, erklärt Dr. Buntrock.

Frau sitzt mit Laptop auf der Couch und chattet per Video (c) shutterstock voronamanMit digitalen Angeboten soll die Therapie von Depressionen zukünftig für Betroffene leichter zugänglich sein. (Foto: Shutterstock / voronaman)

Ein weiterer Nachteil der bisherigen klassischen Behandlungsmethoden ist der Fokus auf die reine Behandlung von bereits erkrankten Personen. „Um individuell auf die Probleme der Einzelnen einzugehen, ist es wichtig, bei der Prävention anzufangen. Bisher wird nur ein Bruchteil an Geldern in präventive Maßnahmen investiert. Das Gesundheitssystem legt den Fokus auf die Behandlung von Erkrankungen. Das ist sicherlich etwas, wo noch deutliches Verbesserungspotenzial im Gesundheitssystem besteht“, so Dr. Buntrock.

Grundsätzlich bieten E-Health-Interventionen die Möglichkeit für jede und jeden, schnell und einfach erreichbar zu sein – bei einem Therapieplatz dauert das heutzutage Monate. Der einzige Faktor, der seitens der Patienten und Patientinnen gegeben sein muss, ist, neben der Bereitschaft, Zeit in die psychische Gesundheit zu investieren, ein grundsätzliches Verständnis für die Nutzung eines Computers oder Handys: „Das Einzige, was ich vorher bei der Nutzung wissen muss, ist ‚Was ist ein Link?‘ oder ‚Wie erstelle ich einen Benutzernamen und ein Passwort für das Programm?‘. Das sind so grundsätzliche Sachen, die aber im Vorhinein wichtig sind zu wissen. Ansonsten ist jede und jeder prädestiniert dafür, E-Health-Interventionen zu nutzen – es wird niemand ausgeschlossen“, versichert Dr. Buntrock.

Autor:in: Janina Markgraf
Quelle: uni:report Sommersemester 2022