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Geschäftsfrau digitalisiert Arbeitsprozesse (Foto: Shutterstock / mrmohock)
16.03.2023 aus 
Forschung + Transfer
Erfolgsfaktor Digitalisierung

Eine Wolke – das haben wir alle einmal gelernt – ist eine Ansammlung von sehr feinen Wassertröpfchen aus der Atmosphäre. Das englische Wort für die Wolke, die „Cloud“, hat im digitalen Zeitalter eine zusätzliche Bedeutung als IT-Ressource erlangt: „Meine anfängliche Vorstellung von der Cloud im Internet entsprach wohl einer Nebelwand, hinter der Bilder, Musik und andere Daten versteckt liegen“, sagt Christian Daase. So ganz klar kann er sich gar nicht mehr an sein erstes „unbefangenes“ Bild von der Cloud im Kontext der Informationstechnik erinnern. Es ist inzwischen „übermalt“ von seinem Fachwissen aus der Computervisualistik, Prozessautomatisierung und Wirtschaftsinformatik. „Die Universität Magdeburg ist auf diesen Gebieten sehr gut aufgestellt“, begründet der 27-Jährige, warum er aus dem brandenburgischen Wittenberge gar nicht so weit in die Welt hinauszog, sondern sich für ein Studium im relativ nahe gelegenen Magdeburg entschied. Und er will vorerst in der Elbestadt bleiben. Ja, auch wegen der Flusslandschaft. In naturnahen Refugien fühle er sich von seiner Kindheit in der Prignitz an wohler als in pulsierenden Metropolen. Vor allem aber biete ihm die Magdeburger Uni mit der Fakultät für Informatik und dem Magdeburg Research and Competence Cluster for Very Large Business Applications Lab (MRCC VLBA) interessante berufliche Perspektiven als IT-Wissenschaftler.

„Cloud-Computing-Kenntnisse gehören mittlerweile zu den gefragtesten Qualifikationen in Wirtschaft und Wissenschaft“, sagt Christian Daase. Diese Feststellung allerdings ist erklärungsbedürftig für Menschen, die nicht in den Fachkreisen der Informationstechnologien zu Hause sind. „Cloud Computing“, erklärt Daase, „ist der Begriff für die Nutzung von IT-Ressourcen. Dazu gehören Server, Datenbanken und Netzwerke wie auch Künstliche Intelligenz, Apps und IT-Dienstleistungen, die nicht am lokalen Standort, sondern in einer Cloud installiert sind. Dort können sie gemietet werden.“ Mit der wachsenden Nachfrage nach diesen Leistungen steige auch der Bedarf an Cloud-Experten. Christian Daase hat ein Beispiel aus dem Alltagsleben parat: „Viele praktizieren Homeoffice oder wissen zumindest, wovon die Rede ist. Die Corona-Pandemie machte die Tür noch weiter auf für diese Organisationsform der Arbeit. Wenn Kolleginnen und Kollegen räumlich entfernt voneinander arbeiten, brauchen sie ein digitales Abbild ihres Unternehmens.“ Christian Daase bringt hier das Cloud Computing ins Spiel. Bildlich gesehen können sich also die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens alles, was sie zum Arbeiten brauchen, aus dieser Cloud herausholen und nach Gebrauch wieder hineinstellen, die neuen Arbeitsergebnisse inklusive. „Die Architekten, also die Cloud-Experten, müssen die Wolke so bauen, dass das alles gut und den Anforderungen des Unternehmens entsprechend funktioniert“, sagt Christian Daase.

Portrait von Christian Daase vor der Uniporta (c) Jana Dünnhaupt Uni MagdeburgChristian Daase (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)

Die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg treibt diese Entwicklung vehement voran. Vor einem Jahr gründete sie gemeinsam mit dem Technologieberatungsdienstleister Accenture und mit Google Cloud die europaweit erste Open-Enterprise-Cloud-Initiative. Diese Forschungs- und Bildungskooperation vermittelt allgemeine Konzepte des Cloud Computing. Die Cloud Academy ist ein Bestandteil dieser Kooperation. Sie vermittelt unter anderem Kenntnisse über den Aufbau einer Cloud und über die Anwendung der entsprechenden Technologien. Summer und Winter School 2021/22 sowie die Kurse zwischendurch hatten im ersten Gründungsjahr über 150 Teilnehmer. „Das müssen keine IT-Experten sein, im Gegenteil“, betont Christian Daase. Er gehört zu den acht Mitarbeitern, die am Betrieb der Cloud Academy mitwirken – zum Beispiel Lehrmodule entwickeln und die Ausbildungskurse leiten. Deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer bewerben sich mit einer kurzen Begründung, wofür sie die Cloud-Computing-Kenntnisse einsetzen wollen.

Für Unternehmen zum Beispiel könne es kostengünstiger sein, einen Cloud-Experten ausbilden zu lassen, anstatt eine eigene Infrastruktur mit Hard- und Software, Arbeits- und Sicherheitsprogrammen, Speicherkapazität und Serverraum teuer zu bezahlen. All das sei in der Cloud oft preiswerter zu mieten, erklärt Daase. Einzelunternehmen oder Start-ups, die sich erst auf dem Markt etablieren müssen, könnten zudem solche Cloud-Infrastrukturen für ein Präzisionsmarketing nutzen. Und wenn ein Unternehmen Sicherheitsbedenken hat, all sein Betriebswissen in eine „Wolke“ zu schieben? „Zum einen kann jede Firma ihre Daten splitten und selbst entscheiden, welche sie in die Cloud überträgt. Zum anderen besitzt Google Cloud eigene Glasfaserkabel und hält sich an höchste Sicherheits- und Datenschutzstandards“, betont der Akademie-Mitarbeiter. Um unter anderem auch solche skeptischen Fragen zu beantworten, stellt sich die Cloud Academy auf Messen und Konferenzen sowie über Social-Media-Kommunikationswege vor.

Die Kernbotschaft der Akademie zusammengefasst: Wer geschäftlich wettbewerbsfähig sein will, sollte sich fit machen für das digitale Zeitalter und auf Cloud Computing umsteigen. Auch der kleine Handwerker? Christian Daase nickt entschieden und führt ein Beispiel aus der Summer School an. Deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben für eine imaginäre Tischlerei eine Cloud-Architektur aufgebaut, die die administrativen Aufgaben des Unternehmens inklusive Onlineshop ziemlich selbstständig erledigt. Der Tischler kann derweil seinem eigentlichen Handwerk nachgehen – zum Beispiel einen Stuhl zimmern. Von seinen genutzten Cloud Tools wird er informiert, wieviel Material er für den Stuhl braucht und wieviel davon er noch vorrätig hat. Für ihre Empfehlung zur Materialbeschaffung würde die Cloud aus dem Internet u. a. Informationen über Werkstoffkosten, Lieferengpässe oder Störungen in der Lieferkette einholen. „Tischler, die internetaffin sind, können bei uns in der Akademie lernen, die Cloud samt Onlineshop selbst aufzubauen. Sie können sich die Architektur aber auch entwickeln lassen – von Leuten, die das bei uns gelernt haben“, sagt Christian Daase, und dass alle Kurs-Teilnehmer von der Akademie ein Zertifikat erhalten.

Beispiel Cloud ComputingSo könnte ein Online-Autohandel auf der Google Cloud realisiert werden.

Vincent Toulouse aus dem niedersächsischen Celle studiert an der Magdeburger Uni Informatik, davor Wirtschaftsinformatik. Er arbeitet als Assistent in der Cloud Academy und hat schon an mehreren Kursen teilgenommen. Sein erworbenes Wissen bringt er gleich wieder ein in die Entwicklung von neuen Cloud Tools. Als Jugendlicher, erzählt Toulouse, habe er sich dafür interessiert, wie Computerspiele programmiert werden. Jetzt wolle er wissen, wie KI-basierte Modelle funktionieren; wie sie optimiert werden können, damit sie in der Cloud-Anwendung für die Kunden nicht zu teuer sind. Die Tischlerei soll sich die Cloud mit Onlineshop schließlich leisten können wie auch der Autohändler das Programm, das seinen Kunden personalisierte Empfehlungen gibt. Letzteres war ebenfalls eine Lernaufgabe innerhalb eines Akademiekurses.

„Den innovativen Cloud-Entwicklungen zugrunde liegen die auf den Nutzer zugeschnittene Virtualisierung und in beträchtlichem Maße das maschinelle Lernen. Das basiert auf der Nutzung großer Datenmengen. Die werden – ähnlich wie die Informationen im menschlichen Gehirn – abgespeichert und miteinander verknüpft, so dass sich neues Wissen daraus ableiten und für weitere Analysen verwenden lässt“, erklärt Christian Daase. Tischlerei und Autohändler würden über ihre eigenen Kundendaten verfügen, mit denen sie ihr Programm füttern können. Für andere Anwendungen wiederum könnten Daten des Akademie-Partners Google herangezogen werden. Eine Cloud-Anwendung, die Vincent Toulouse in einem Workshop mitentwickelt hat, kann von Unternehmen eingesetzt werden, die vor der Frage stehen, was für sie rentabler ist: Weiterhin Außendienstmitarbeiter mit Auto oder Bahn zu ihren Kunden zu schicken und zuzüglich Übernachtungskosten zu zahlen oder eine neue Zweigstelle aufzubauen. Im Umkehrschluss ließe sich mit dem Cloud-Programm auch die Wirtschaftlichkeit eines Standorts evaluieren, sagt Toulouse.

An dieser Stelle wird deutlich: Fragen des wirtschaftlichen und nachhaltigen Arbeitens, der ökologische Fußabdruck eines Unternehmens und seine Wettbewerbsfähigkeit hängen eng mit dessen Digitalisierung zusammen. Möglicherweise ist sogar dessen Existenz davon abhängig in Zeiten wie diesen, wo Unternehmen flexibel auf die sich drastisch ändernden Marktsituationen reagieren müssen. Bedingt durch die Pandemie und zusätzlich durch den Ukraine-Krieg sind viele traditionelle Produktions- und Lieferketten gestört oder gänzlich zusammengebrochen. „Eine intelligente Cloud könnte die passenden Glieder finden, mit denen Produktions- und Lieferketten neu zusammengesetzt werden“, sagt Vincent Toulouse. Er hat sich in wissenschaftliche Recherchen vertieft, um entsprechende Cloud Tools immer weiter zu verbessern. Toulouse will ein Experte nach Google-Cloud-Standards werden. Da muss er eine Prüfung absolvieren, bevor er seine Dienste in der Wirtschaft anbieten kann.

Portrait von Vincent Toulouse vor der Uniporta (c) Jana Dünnhaupt Uni MagdeburgVincent Toulouse (Foto: Jana Dünnhaupt / Uni Magdeburg)

Christian Daase hat vor, auf dem Forschungsfeld des Cloud Computing zu promovieren. Er kann sich eine Laufbahn in der universitären Lehre gut vorstellen. Denn die Universität Magdeburg, sagt er, leiste einen entscheidenden Beitrag zur Weiterentwicklung der gesamten Cloud-Industrie und werde zunehmend attraktiv für Studierende, die sich für dieses Zukunftsthema interessieren. 

Guericke facts

Autor:in: Kathrain Graubaum
Quelle: GUERICKE ´22