
Farben, die aus dem Schatten treten: Neben dem Eingang zur Universitätsbibliothek Magdeburg wird ein physikalisches Phänomen zu einem poetischen Lichtspiel, in dem Kunst und Wissenschaft verschmelzen. Die Lichtinstallation von Yves Charney und Ralf Warnecke „La Science des Ombres“ – Die Wissenschaft der Schatten – ist eine Hommage an Guerickes Forschergeist.
Wenn die Dämmerung sich über den Campus legt, ist das Lichterspiel an der Wand der Universitätsbibliothek rechts neben dem Haupteingang besonders gut zu sehen. Aus der Ferne scheint es wie eine flackernde Lichtprojektion, doch beim Näherkommen wird deutlich: Hier tanzen Schatten, Licht und Farbe. Ein physikalisches Phänomen wird lebendig, eine nüchterne Wand wird zu einem poetischen Experimentierfeld. Was wie Magie wirkt, folgt einer Beobachtung, die Otto von Guericke schon vor mehr als 400 Jahren machte: Schatten müssen nicht grau sein – sie können leuchten.
Der Lichtkünstler Prof. Yves Charney griff das physikalische Phänomen auf, das Guericke 1612 beschrieb. Wenn eine weiße und eine farbige Lichtquelle gleichzeitig ein Objekt anstrahlen, wirft es Schatten, die in überraschenden Farben glühen. Goethe staunte später „höchst merkwürdige Fälle dieser lebendig geforderten, nebeneinander bestehenden Farben“. Der Magdeburger Gelehrte, eher bekannt für seine spektakulären Experimente zum Luftdruck und Vakuum, hatte es nüchterner gefasst: „Man kann einen vollkommen blauen Schatten auf einem weißen Blatt Papier erzeugen, indem man einen Finger oder einen anderen Gegenstand zwischen das Papier und eine brennende Kerze hält.“ Was Guericke im Kerzenschein beobachtete, brachte der französische Künstler Charney an die Wand der UB und Ralf Warnecke von der Hochschule Magdeburg-Stendal begleitete die technische Umsetzung.
Auch Laien können Guerickes Experiment leicht nachvollziehen und Wissenschaft mit wenigen Handgriffen erlebbar machen. Zwei Lampen – eine farbig, eine weiß – ein weißer Hintergrund und ein beliebiger Gegenstand genügen. Wenn sich die Lichtkegel überschneiden, erscheinen die Schatten bunt. Ein einfaches Experiment mit verblüffendem Effekt.
Yves Charney ist Maler, Objekt- und Lichtkünstler. Seine Werke leuchten von Paris bis Hangzhou und holen Wissenschaft in die Kunst und umgekehrt. Er liebt das Spiel von Licht und Farbe: „Licht ist Farbe. Und Farbe ist Emotion.“ In Magdeburg verbindet er beides mit Geschichte u.a. auch in Kunstwerken im Landtag und an einem Wohnhaus in der Jakobstraße. Die Universität erinnert mit seinem Lichtlabor auf dem Campus an ihren Namensgeber Otto von Guericke, dessen Name für das Anwenden wissenschaftlicher Methoden, das Streben nach Innovation und neuen Erkenntnissen und der gesellschaftlichen Verantwortung für heutige und künftige Generationen steht.
Das Wirken des Erfinders und Politikers Otto von Guerickes würdigt neben der Lichtinstallation ein großes stilisiertes Portrait an der Hauswand eines Gebäudes der Uni an der Pfälzer Straße. Im forschungsgeleiteten interdisziplinären Lehrprojekt „Studentisches Kustodie-Projekt OVGU“ sind im Teilprojekt „Inszenierung von Kunst auf dem Campus“ diese beiden Kunstwerke und weitere der baugebundenen Kunst, Glaskunst, Graffitis oder Skulpturen auf den Campus der Universität erfasst und beschrieben worden.